Das Begräbnis des Thomas Cibulka. Ein Neonazi zwischen Hooliganismus, MCs und nationaler Revolution.

Zahlreiche Personen des MC-Milieus haben sich vor der Begräbnishalle versammelt, um an Cibulkas Beerdigung teilzunehmen, darunter der Final Dawn MC und der Hells Angels MC.

Einleitung

Am 9. September kam es in Österreich in fünf Bundesländern zu Hausdurchsuchungen – Ziel der konzertierten Aktion waren unter anderem Wohnungen ehemaliger Alpen-Donau– und Ferialverbindung Imperia-Kader sowie dazugehörige Liegenschaften. Auch in der Lichtenauergasse in der Wiener Leopoldstadt kam es zu einem Polizeieinsatz: Durchsucht wurde ein einschlägig bekanntes Lokal, das seit vielen Jahren als Stützpunkt der Neonazi-Szene rund um Gottfried Küssel in Wien fungiert. Im selben Haus wohnt nicht nur die Familie Küssel, sondern auch der langjährige Neonazi-Kader Felix Budin. Die Vorwürfe gegen die Beschuldigten lauten auf Verstöße gegen das Verbotsgesetz; darüber hinaus wurden Waffen und Munition sichergestellt – darunter offenbar auch funktionsfähige Granaten. Auf die Frage nach der möglichen Herkunft dieser – mutmaßlich illegal beschafften – Waffen verweist der Rechtsextremismusexperte Andreas Peham auf die enge Verschränkung zwischen der österreichischen Neonazi-Szene und der organisierten Rockerkriminalität: „Die Herkunft der Waffen ist unterschiedlich, meistens stammen sie aus kriminellen Milieus beziehungsweise dem Rockerbandenmilieu.“ Auch wenn im Zusammenhang mit den aktuellen Hausdurchsuchungen bislang keine direkten Verbindungen ins Rockermilieu nachweisbar sind, nimmt sich diese Recherche vor, die enge und langjährige Vernetzung zwischen Neonazis und Rockergruppen aufzuzeigen – und kritisch in den Fokus zu rücken. Die in dieser Recherche thematisierten Verbindungen zwischen Neonazismus und Rockermilieu verweisen direkt auf den Kreis an Akteur*innen, der von den Razzien im September 2025 in ganz Österreich betroffen waren.

Durchsuchung im Lichtenauer Vereinslokal. © Stoppt die Rechten

Zum anliegenden Fall: Am 19. Mai 2025 gingen schockierte Trauernachrichten durch die Wiener Neonazi-Szene: Mit Thomas Michael Cibulka war ein langjähriger Akteur des militanten Wiener Neonazi-Milieus rund um Gottfried und Karin Küssel sowie ein Mitglied des neonazistischen FAK-Fanclubs Unsterblich Wien sowie der Ferialverbindung Imperia bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Bereits am nächsten Tag zirkulierte die Todesmeldung in Szenemilieus, die Beileidsbekundungen reichten weit: Im FAK-Stadion wurde ein Spruchband entrollt, etliche Akteur*innen aus dem Unsterblich- und ehemaligen Viola Fanatics-Milieu posteten Trauernachrichten in den sozialen Medien, ebenso nahm man in internationalen rechtsextremen Hooligan-Portalen Anteil an der Todesmeldung. Auch im informellen Telegram-Kanal des Alpen-Donau-Netzwerks bekundete man Trauer über das Ableben des langjährigen Kameraden Cibulka, der neben Paul Blang auch als einer der mutmaßlichen Köpfe des neonazistischen Unwiderstehlich-Medienprojekts gilt.

Das Begräbnis fand am 11. Juni 2025 zu Mittag am Wiener Zentralfriedhof statt. Schon der Partezettel deutete an, dass das Begräbnis zu einem Szeneevent werden könnte: Ein Zitat aus der Edda zierte den oberen Rand, gegenüberliegend war ein Thorhammer mit den Odinsraben abgebildet. Nun ist eine Fotostrecke des Begräbnisses auf der journalistischen Plattform Pixelarchiv erschienen: Tatsächlich versammelten sich kurz vor zwölf Uhr über 100 Personen, um Cibulka zu gedenken. Federführend bei der Organisation des Begräbnisses schienen dabei Personen von Unsterblich Wien: Neben Cibulkas engstem Weggefährten Paul Blang waren zahlreiche weitere Unsterblich zurechenbare Personen gekommen. Bei der Prozession zum Cibulka-Familiengrab trugen Unsterblich-Akteure die Kränze, vier von ihnen, darunter Paul Blang, Christian “Guntramsdorfer” Wagner und Michael “Junior” schoben den Sarg zum Grab.

Neben den Unsterblich-Neonazis hatten sich weitere Szenegrößen zum Begräbnis eingefunden: Etliche Kernakteur*innen des alpen-donau.info-Netzwerks waren gekommen, darunter die Familie Küssel, aber auch ehemalige Akteure der B&H Vienna-Sektion. Auch die eng mit Unsterblich Wien verbundene neonazistische Fangruppierung Ultras Slovan Pressburg war mit einer Delegation nach Wien angereist. Besonders auffällig war die große Anzahl an Personen aus dem 1%er-MC-Milieu Wiens und Ostösterreichs, darunter hochrangige Vertreter des Wiener Hells Angels MC (Vize-Präsident), des Red Dogs MC, des Final Dawn MC, des Outsider MC und des Los Azules MC.

Die Zusammenkunft bei Thomas Cibulkas Begräbnis verdeutlicht jenes Mischmilieu, das zunehmend die Neonazi-Strukturen in Zentraleuropa prägt – ein Phänomen, über das wir bereits mehrfach berichtet haben. Immer enger verweben sich die Netzwerke militanter Neonazis mit Hooligan-Szenen und Kreisen der organisierten Kriminalität, wie sie etwa durch sogenannte „1%er“-Gruppierungen verkörpert werden. Dieses Ineinandergreifen spiegelt sich auch im Leben Thomas Cibulkas wider. Aus diesem Grund soll im Folgenden zunächst seine politische Biografie – soweit rekonstruierbar – chronologisch nachgezeichnet werden, bevor im Anschluss näher auf die bei der Trauerfeier anwesenden Personen eingegangen wird.

Vor der Halle: MC-Member, Famile Küssel und Bulldogs-Exponenten warten auf Beginn der Zeremonie.
Karin und Gudrun Küssel zusammen mit Mitgliedern der Bulldogs und Jakob Berger, Präsident des Red Dogs MC Vienna. © Pixelarchiv

Wir wollen an dieser Stelle auch kurz eine Frage behandeln, die möglicherweise gestellt werden wird: ob es nicht pietätlos sei, auf Fotos Personen zu identifizieren und zu entblößen, obgleich sie sich in Trauer zur letzten Verabschiedung zusammenfinden? Cibulkas Begräbnis war allerdings mitnichten ein innerfamiliär abgehaltenes Zeremoniell. Neonazistische Unsterblich Akteure machten aus dem Begräbnis ein Politikum, indem sie letztlich Cibulkas Tod zur Inszenierung nutzten. Unsterblich-Kränze, Unsterblich-Shirts, vorne weg amtsbekannte gewalttätige Neonazis, dazu etliche Neonazis im Publikum, darüber hinaus Neonazis der Ultras Slovan sowie unzählige 1%-MC-Full Member in Kutten. Wäre das nicht schon Grund genug, ist mit dem aktuellen Anlass der Durchsuchungen auch ein weiterer gewichtiger Punkt, der für eine Veröffentlichung spricht, hinzugekommen: Das Begräbnis offenbart eben jene demokratigefährdende Vernetzung zwischen schwer- und multikriminellen Milieus und Neonazis, die zumeist wenig augenscheinlich wahrgenommen wird. Auch deshalb sehen wir die Publikation als gerechtfertigt an.

Von der Schülerverbindung über das militante Neonazi-Milieu in die kriminelle MC-Szene.

Bild zeigt etliche Burschenschafter der pennalen Burschenschaft Franko-Cherusker nebeneinander abgebildet. Das Bild stammt aus einem Facebook-Post.
Die Aktivitas der pennalen Burschenschaft Franko-Cherusker Anfang der 2010er-Jahre. Ganz vorn Thomas Cibulka.

Thomas Michael Cibulka, geboren am 24. Mai 1994, scheint nicht aus einem ideologisch gefestigten familiären Umfeld zu stammen – zumindest ist über eine entsprechende rechtsextreme Prägung bislang nichts bekannt. Die ersten nachvollziehbaren politischen Aktivitäten Cibulkas setzen bereits in seiner Schulzeit ein. Noch während dieser – Cibulka absolvierte seine Schulzeit in Baden und Wien – trat er der deutschnationalen, schlagenden Pennäler-Burschenschaft Franko-Cherusker in Wien bei. Die Burschenschaft ist Teil des Österreichischen Pennälerringes und gilt als politisch belastet – 2010 kam es auf der Wiener Bude zu Hausdurchsuchungen wegen des Verdachtes auf Wiederbetätigung (§3g VbtG 1947). Mehrfach gingen Schüler der Verbindung Ende der 2000er-, Anfang der 2010er-Jahre direkt ins Neonazi-Milieu rund um Gottfried Küssel und das alpen-donau.info-Portal über. Warum ausgerechnet die pB! Franko-Cherusker ein derart enges Verhältnis zum alpen-donau.info-Umfeld unterhielt, ist unklar. Auffällig war jedoch, dass der mittlerweile verstorbene Neonazi und Ultras Sur Wien-Exponent Mihály “Salo” Kocsis ein Nahverhältnis zu der Burschenschaft gepflegt haben dürfte. Mehrfach konnte Kocsis mit Burschen der Franko-Cherusker gesehen werden, darunter Cibulka oder aber Matthias Kleemann, der etwa auch an von Kocsis organisierten Auswärtsfahrten zu den neofaschistischen Ultras Sur in Madrid teilgenommen hatte.

Bild zeigt Burschenschafter in Couleur und Unsterblich-Neonazi Mihaly Kocsis vor dem Haupteingang der Wiener Hauptuniversität.
Mit blauer Kappe Thomas Cibulka, dahinter mit Brille Mihály Kocsis bei einem Burschenbummel an der Wiener Hauptuniversität.

Die Cherusker-Burschen, u. a. Cibulka, waren indes schon Ende der 2000er-/Anfang der 2010er-Jahre bei den einschlägigen Nowotny-Gedenkveranstaltungen präsent: Gemeinsam mit Neonazis des Alpen Donau-Portals (Küssel vor seiner Haftstrafe, Paul Blang, Wolfgang Lechner, Norbert Bichelhuber, Martin Sellner, nebst den Unsterblich-Mitgliedern Mihály Kocsis und Christian Marinics) nahmen die damals noch jungen Burschen am Zeremoniell für den NS-Kampfflieger teil. Und auch beim allwöchentlichen Mittwochsbummel deutschnationaler Burschenschafter an der Wiener Hauptuniversität konnte Cibulka im Cherusker-Couleur mit weiteren Cherusker-Burschen gesehen werden (die allesamt von der Franko-Cherusker in deutschnationale Studentenverbindungen wie die aB! Silesia oder aB! Bruna Sudetia übergegangen waren). 

Über Kocsis und Marinics – der selbst Korporierter der aB! Silesia ist – könnten im Falle Cibulkas oder Kleemanns auch erste Verbidungen zum Unsterblich- und Fanatics-Milieu des FAK entstanden sein. Cibulka dürfte seit längerer Zeit Mitglied des Unsterblich Wien-Zusammenhanges gewesen sein, war zusammen mit seinem engen Freund Paul Blang (zuerst Fanatics-Mitglied, dann Unsterblich) oft bei Spielen und Auswärtsfahrten von Unsterblich dabei, v. a. nach Bratislava zum befreundeten Fanclub Ultras Slovan Pressburg. Spätestens 2016 war Cibulka bei Kundgebungen der neonazistischen Kleinstpartei Partei des Volkes (PdV) in Wien anwesend, wo er zusammen mit bekannten Szene-Exponent*innen wie Karin Küssel, Wolfgang Pestl, Mihály Kocsis, Richard Fiebicher, Daniel Polzhofer oder Christoph Ploner zu sehen war. In der Zeit war Cibulka auch beim Bundesheer in Kärnten als Berufssoldat angestellt: Aufgrund seiner Verbindungen zur PdV dürfte er schon damals vom Heeresabwehramt überwacht worden sein (siehe hier).

Bild zeigt PdV-Kundgebung in Wien, bei der sich zahlreiche Alpen Donau-Neonazis eingefunden haben.
Ganz links hinten: Christoph Ploner, daneben Karin Küssel, vor ihr Cibulka, dahinter Daniel Polzhofer, vor ihm Mihály Kocsis, rechts neben ihm unbekannt, dahinter verdeckt Richard Fiebicher, rechts von ihm Wolfgang Pestl.

In die gleiche Zeit dürfte auch Cibulkas Hochzeit mit Antonella Juliana Kalcher gefallen sein, bei der Cibulka auch den Namen Kalcher als Doppel-Nachname (Kalcher-Cibulka) annahm: Kalcher war im Umfeld der Identitären Bewegung Österreichs aktiv, stand auf der Spendenliste von Sellner und der IB. Martin Sellner titulierte Kalcher 2016 in einem Online-Posting auf Facebook als bekanntes “patriotisches Mädel” – sie solle ferner “dem Gatten […, gemeint Thomas Cibulka] Grüße” ausrichten. Dass Sellner wohl näher mit dem Ehepaar Kalcher-Cibulka bekannt gewesen sein dürfte, geht aus dem Chatverlauf unmittelbar hervor. Ob er Thomas Cibulka allerdings noch aus Schülerverbindungszeiten im Küssel-Umfeld oder aber durch Aktivitäten bei der IB durch Antonella Kalcher kennt, bleibt unklar. Fakt ist allerdings, dass Thomas Cibulka Mitte der 2010er-Jahre auch bei Aufmärschen der Identitären Bewegung gesehen wurde. Es ist jedoch anzunehmen, dass er sich primär mit dem neonazistischen Umfeld der Ferialverbindung Reich und später Imperia identifizierte – ein auf seiner Brust tätowiertes Logo der Verbindung unterstreicht die enge Zugehörigkeit. Unklar ist auch, wann genau die Trennung des Paares erfolgte – bekannt ist jedoch, dass Antonella Kalcher im September 2017 bereits eine Tochter mit dem Identitären Lukas Kleewein bekam und zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch “Kalcher” hieß.

Nach dem Scheitern der PdV 2016 und internen Querelen innerhalb der Neonazi-Szene Wiens kam es zur Gründung von Unwiderstehlich in Wien und Graz – auch hier scheint Cibulka aktiv involviert gewesen zu sein. Damalige Recherchen weisen einige der ehemaligen PdV-Akteur*innen auch als Struktur hinter dem Medienprojekt aus. Die Wiener Unwiderstehlich-Sektion dürfte dabei initial u. a. von Blang und seiner damaligen Lebensgefährtin Katharina Kubat (jetzt Monz), Cibulka, Karin Küssel, Wolfgang Lechner, Andreas Linhart, Wolfgang Fennes und den Unsterblich-Neonazis Alexander Christian und Andreas Ranits betrieben worden sein, die Grazer-Sektion von Daniel Polzhofer und Richard Pfingstl. Enge Kontakte dürften seitens Cibulkas in dieser Zeit auch zu Gottfried und Karin Küssel bestanden haben: Als Küssel 2016 einen Freigang antrat, wurde er neben Karin Küssel von Blang und Cibulka abgeholt, um danach gemeinsam ein Fußballmatch bei einer Live-Übertragung in der vom FPÖ-nahen Heinz Pollischansky geführten “Stiegl Ambulanz” zu schauen.

2018 wurde Cibulka – der zu diesem Zeitpunkt als Security-Person für G4S arbeitete – Zentrum einer politischen Affäre: Im Zuge der Anhörungen im Rahmen des BVT-Skandals arbeitete Cibulka als Security-Person u. a. beim Einlass zum Anhörungssaal, wo er Taschen- und Identitätskontrollen durchführte, aber auch im Medienraum, wo die Anhörungen live übertragen wurden. Durch die elektronische Zutrittskarte dürfte Cibulka damals in fast alle Räumlichkeiten des Parlaments Zugang gehabt haben. In einem süffisanten Online-Posting hatte der Wiener Neonazi Franz Radl jun. schon vorab durchblicken lassen, dass man einen Neonazi ins Parlament eingeschleust habe – Cibulka selbst dürfte nie einem Background-Check unterzogen worden sein.

Im Zeitraum Ende 2018 bis zum Einsetzen der Covid-19-Pandemie 2020 scheint sich Cibulka weiterhin im Rahmen der Ferialverbindung Imperia und Unwiderstehlich betätigt haben – stimmig ist das auch insofern, als sein enger Weggefährte Paul Blang als “Konsul” (Vorstand) und später “Proconsul” (Vizevorstand) der Imperia legalistisch im Vereinsregister eingetragen war. Allerdings zogen sich die Neonazis rund um Unwiderstehlich und Imperia weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Auch die Stammtische, die Unwiderstehlich eine gewisse Zeit lang veranstaltete, wurden zunehmend rar. Zu sehen war Unwiderstehlich und das ehemalige Alpen-Donau-Milieu nur bei Szeneveranstaltungen, vorwiegend im Ausland: u. a. 2018 beim Kampf der Nibelungen in Ostritz, 2019 in Ostritz beim von Thorsten Heise und der Arischen Bruderschaft ausgerichteten “Schild und Schwert“-Festival oder bei Besuchen der neonazistischen Kleinpartei Der III. Weg in Ostdeutschland. Darüber hinaus dürften sowohl Cibulka als auch Blang eine Vorliebe für Rechtsrock gehabt gehaben – 2022 etwa waren beide nach Brno gereist, um an der von Operace Artaban ausgerichteten “Street Kids Party” teilzunehmen.

Mit dem Einsetzen der Corona-Pandemie und ersten Anti-Maßnahmen-Protesten durch verschwörungsideologische Akteur*innen erschienen auch die Unwiderstehlich- und Alpen Donau-Neonazis wieder auf den Straßen Wiens. Früh schon marschierte Gottfried Küssel offen bei den von Hannes Brejcha und Martin Rutter initiierten Demonstrationen mit, zusammen mit Karin Küssel und Tochter Gudrun sowie altbekannten Kameraden wie Richard Fiebicher, Paul Blang, Thomas Cibulka, Mario Aulabauer und weiteren Unsterblich-Exponenten. Mindestens zwei Mal hatte Cibulka zudem gemeinsam mit Blang an den von Gottfried Küssel organisierten Corona-Demonstrationen in Eisenstadt teilgenommen (siehe unseren ausführlichen Text zur Corona Querfront hier).

Doch nach den ersten größeren Demonstrationen flachte die Teilnahme von Cibulka und Blang wieder merklich ab – während die beiden mutmaßlich den Unwiderstehlich-Kanal unregelmäßig weiterhin betrieben, dürften sie sich paralell jedoch immer stärker dem Hooligan-Milieu des FAK zugewandt haben und darüber hinaus auch Kontakte in Supporter-MC-Strukturen des Wiener Hells Angels Charters aufgenommen haben. Das zeigte sich schon 2020: Dort entstand ein Foto bei einem MC-Treffen im Wiener Noricum-Keller, wo Blang mit Cibulka neben den Tanzbrigade-Akteuren Bernhard Burian und Martin Eckart zu sehen sind. An der Festivität hatten zahlreiche Rocker-Clubs teilgenommen, darunter mehrere aus dem Wiener 1%er-Milieu.

Aber auch die Kontakte Cibulkas in rechte Kampfsportmilieus dürften sich sowohl über die Hells Angels, als auch über Unsterblich intensiviert haben: 2022 begleitete er zusammen mit den Unsterblich Neonazis Stefan Swoboda und Markus Wieneritsch den rechtsoffenen MMA-Kämpfer Christian Draxler bei der Austrian Fight Night – seines Zeichens Leiter der MMA Academy in Bad Vöslau – bis zum Ring. Swobodas Ehefrau Nicole Mutenthaler, die auch eng im Unsterblich-Netzwerk integriert zu sein scheint, war bei Cibulkas Begräbnis anwesend. 2024 dann nahm Cibulka am Fanatics-Corteo zur Sparta Fight Night 1 in Schwechat in Unsterblich-Kutte teil – Anlass war der Bout zwischen den Ackerkampf-Exponenten Rafael Tupy (FAK) und Patrick Rainer (SCR). Parallel nahm auch der Unwiderstehlich- und Alpen Donau-Boxing-Exponent Andreas Linhart daran teil.

Generell lässt sich sagen: Ab 2020 sind Blang und Cibulka fortlaufend im Wiener Hells Angels-Umfeld zu beobachten, die mittlerweile auch den Noricum MC zu ihren Supportern zählen können. Besuche im inoffiziellen Hells Angels-Lokal The Other Place in Wien Meidling häuften sich, zusätzlich begannen Blang und Cibulka beim Wiener Neonazi, Angels-Exponent und Octagon AT-Vertriebsleiter Julius Bukaí im Octagon Gym zu boxen. Mehrfach auch waren Blang und Cibulka auf Fotografien mit den “81 Supporter”-Shirts zu sehen – offenbar ordneten sich die Unwiderstehlich-Köpfe auch in ihrer Eigenwahrnehmung dem internationalen 1%-MC zu. In den Tagen vor seinem Tod fuhr Cibulka zusammen mit Blang und Unsterblich auf eine Auswärtsfahrt des FAK – nach dem gemeinsamen Spielbesuch und der gemeinsamen Rückkehr nach Wien zusammen mit Blang starb Cibulka unter unklaren Umständen bei einem Autounfall in der Nacht auf 19. Mai.

Die teilnehmenden Gruppen: Hooligans, Neonazis und 1%-MCs.

Final Dawn-MC- und Hels Angels MC-Member vor der Begräbnishalle. Sie tragen Kutten.
© Pixelarchiv

Hooligans des FAK und ŠK Slovan Bratislava: Unsterblich Wien und Ultras Slovan Pressburg.

Aufgrund von Thomas Cibulkas Mitgliedschaft bei Unsterblich Wien war die Beteiligung von Unsterblich-Akteuren naheliegend – überraschend war allerdings, dass die Neonazi-Gruppierung das ganze Begräbnis-Zeremoniell bestimmte: Unsterblich-Mitglieder, darunter Herbert Stampal (eines der ältesten Unsterblich-Mitglieder) und Marcus Kreuzinger trugen Unsterblich-Kränze und bildeten die Spitze des Begräbniszuges. Dahinter trugen Paul Blang, der Unsterblich-Capo, verurteilte Neonazi und schwere Gewalttäter Christian “Guntramsdorfer” Wagner und der Wiener Rechtsextremist und Unsterblich-Mitglied Michael “Junior” den Sarg. Wagner konnte in den letzten Jahren selbst immer wieder bei neonazistischen Versammlungen gesehen werde (u. a. in Ostritz 2019), aber auch mehrfach mit Blang und Cibulka in der Kurve von Slovan Bratislava. Michael “Junior” bewegt sich im Umfeld von Gottfried Küssel und der Corona Querfront und beteiligte sich u. a. an Corona-Aufmärschen in Wien und Eisenstadt. Ferner beteiligte sich mit Rafael Führer ein weiteres Unsterblich-Mitglied, das auch im Rahmen der “Ballermann Jungs” beobachtet werden konnte sowie mit dem Unwiderstehlich-Exponent Andreas Ranits (beruflich tätig ist Führer als DJ “Rafael Galante“). Seitens der ehemals existenten Viola Fanatics konnte nur Bernhard Kirsch ausgemacht werden – der kam zusammen mit Führer und weiteren Unsterblich-Mitgliedern.

Anwesend war auch der umtriebige Unsterblich-Neonazi Alexander Christian sowie das ehemalige Fanatics-Mitglied Bernhard Kirsch, die beide auch vielfach an Corona-Demonstrationen in Wien teilgenommen haben. Seit Jahren war und ist Christian auch bei FPÖ-Kundgebungen zu sehen, zuletzt 2024. Auch Bulldogs– und Fanclub Atzgersdorf-Exponenten – beide rechsoffene bis rechtsextreme Fangruppierungen – waren beim Begräbnis vertreten. Erwähnenswert ist hierbei vor allem Lucas Tuma, ein seit Jahrzehnten in der militanten Neonazi-Szene Österreichs aktiver Rechtsextremist, der auch Mitglied bei den Bulldogs zu sein scheint (zu seiner Personalie siehe unser Text hier). 

Im lila-farbenen “Sport Frei”-Shirt beteiligte sich auch ein mutmaßlich Unsterblich zugehöriger Skinhead, der bereits mehrfach mit Mitgliedern der Division Wien auf rechtsextremen Demonstrationen gesehen werden konnte. So zeigt ihn ein Foto des Presse Service Wien mit dem im Rahmen der “Hate Crime”-Razzien verhafteten Neonazi, AC Sparta-Hooligan und Gewalttäter Noah Gavric bei der Identitären Demonstration nach dem islamistischen Anschlag in Villach Februar 2025. Dass mittlerweile unmittelbare personelle Überschneidungen zwischen Division Wien und Unsterblich bestehe, zeigt die rasant fortschreitende Integration der jungen Neonazi-Gruppe in bestehende rechtsextreme Organisationen, die durch zahllose Gewaltvorfälle in der Vergangenheit auffielen.

Auch der eng sowohl mit Unsterblich als auch den aufgelösten Viola Fanatics verbundene slowakische Neonazi-Fanclub Ultras Slovan Pressburg nahm am Begräbnis teil: Eine Abordnung der Gruppe fand sich bekleidet in den Gruppen-Shirts bei Cibulkas Begräbnis ein. Die Teilnahme der als extrem gewaltbereit und offen neonazistisch auftretenden Fangruppierung, die auch über gute Kontakte zum slowakischen Octagon-Franchise verfügt, verdeutlicht die enge Verbindung von Unsterblich zu Slovan: Obgleich mit der veränderten Hierarchie in der FAK-Ostkurve und der Entmachtung der Viola Fanatics mehrfach offenkundig wurde, dass USP weniger Einfluss auf die Ostkurve ausüben kann, dürften die Verbindungen von Unsterblich zu USP weiterhin gut sein – was auch die zahlreichen Ausflüge von Unsterblich zu den Spielen von Slovan belegen. Dass man Cibulka “die letzte Ehre erweist”, zeigt zugleich auch den mutmaßlichen Stellenwert, den Slovan der Gruppe Unsterblich und Cibulka als Person zuweist.

Zu sehen fünf Personen in schwarzen Shirts auf ihrem Weg in die Begräbnishalle. Am Ärmel klein in Weiß zu lesen "Slovan".
© Pixelarchiv

Alpen Donau, Blood & Honour und Tanzbrigade: Der harte Kern des österreichischen Neonazismus.

Wie tief Cibulka im österreichischen Neonazismus verwurzelt gewesen ist, davon zeugt die geschlossene Teilnahme sämtlicher relevanter Größen des österreichischen Neonazismus. Mit Gottfried und Karin Küssel (mitsamt ihrer Tochter Gudrun) sowie Richard Fiebicher, Harald Engelke und Lucas Tuma nahmen mehrere Personen teil, die schon zu NDP– und VAPO-Zeiten politisch aktiv gewesen sind und bis dato eng im Küssel-Umfeld engagiert sind. Das Bild komplettierten Kader von alpen-donau.info/Unwiderstehlich sowie der ehemaligen Skinheads Steiermark, namentlich: Felix Budin, Andreas Linhart, Christoph Ploner, Daniel Polzhofer und Martin Ploderer. Letztere beide entstammen der steirischen Neonaziszene. Polzhofer galt als Betreiber der nicht mehr existenten steirischen Unwiderstehlich-Facebook-Site, verfügt über Kontakte in die Fankurve des GAK und insbesondere zu den Neoanzis der RAG, war schon im Rahmen der PdV aktiv und trat mehrfach bei Pegida Steiermark in Erscheinung.

Ploderer ist der Bruder von ex-FPÖ-Politiker und Neonazi Hans Ploderer, gilt als ehemaliges Mitglied der Skinheads Steiermark – er dürfte enge Kontakte sowohl zu den Wiener Unwiderstehlich-Neonazis haben, aber auch zur Vorarlberger Combat 18-Sektion rund um das Ehepaar Uwe und Nicole Veljaca. Mehrfach war Ploderer auch im Ausland auf Neonazi-Veranstaltungen zu Gast, so u. a. am Rudolf Heß Marsch in Berlin 2018. Teilgenommen hatte Ploderer zusammen mit seinem Bruder auch am Begräbnis von Herbert Bellschan-Mildenburg – wie etwa auch Gottfried Küssel.

Andreas Linhart und Christoph Ploner entstammen der Wiener Neonazi-Szene: Linhart wurde in den 2010er-Jahren aktenkundig, dürfte eng im Unwiderstehlich-Netzwerk integriert gewesen sein wie auch in der Ferialverbindung Imperia – auch Linhart trägt das Wappen der Imperia auf der Brust tättoowiert. Linhart nahm etwa 2015 zusammen mit Christian Arnoth und Thomas Kalser am Identitären-Aufmarsch in Spielfeld teil, Oktober 2016 am großen Rechtsrock-Festival “Rocktoberfest” in Toggenburg, Schweiz, zusammen u. a. mit Mihály Kocsis sowie den beiden deutsch-österreichischen Neonazis Dorothee und Kai-Rolf Müller. 2022 wurde Linhart in der selben Prozessserie wie auch Blang und Cibulka nach dem Verbotsgesetz angeklagt und in 35 Fällen zu drei Jahren Haft, davon zwei bedingt, verurteilt.

Ploner wiederum stieß über die deutschnationale Burschenschafterszene Ende der 2000er-Jahre zu Gottfried Küssel: Zusammen mit Martin Sellner, Horst Pilz und Benjamin Fertschai galt er als Nachwuchs der militanten NS-Szene – zuletzt nahm Ploner zusammen mit Fiebicher, Tanzbrigade-Akteuren (Bernhard Burian und Cedomir Aleksijevic) sowie Division Wien-Exponenten am neonazistischen Kampfsportturnier “Virtus et Honor IV” im tschechischen Olomouc teil. Ferner nahmen zwei Neonazis teil, die ebenso zum harten neonazistischen Kern rund um Küssel gehören: Beide sind auch Teil der Corona Querfront. Der jüngere Skinhead, der zumeist mit Gottfried Küssel unterwegs ist, kann ferner der mittlerweile inexistenten Neonazi-Initiative “Sozialismus Jetzt!” zugeordnet werden.

Neben den Alpen Donau- und Unwiderstehlich-Neonazis nahmen auch zwei ehemals bei Blood & Honour Vienna organisierte Neonazis teil, die integral in das Rechtsrock-Geschehen rund um den nicht mehr existenten Gasthof zur Alm in der Leopoldstädter Innstraße verwickelt waren. Es handelt sich um Gregor Tschenscher, der zeitweise auch als Security-Person für die Wiener FPÖ engagiert war und Andre Herold, der nunmher Full-Member beim Hells Angels-nahen Outsiders MC ist und sich im Umfeld des Noricum MC bewegt. Vor allem Tschenscher galt in den 2000er- und 2010er-Jahren als Kopf der Wiener Blood & Honour-Sektion, die mit der “Service Crew” auch über eine eigene Rechtsrock-Band verfügte und auch gute Kontakte zu den Altnazis der AfP pflegte. Kontakte hatten Tschenscher und mutmaßlich auch Herold ebenso zum Objekt 21 wie auch Exponenten von Unwiderstehlich – was gemeinsame Bilder belegen. Zuletzte konnte Tschenscher auf der “Remigrations“-Demonstration der Identitären Bewegung Sommer 2024 in Wien gesehen werden.

Andre Herold war längste Zeit der legalistische Leiter des Gasthof zur Alm, trat als Geschäftsführer auf, auch als dort Bands wie die Service Crew rund um den verstorbenen Neonazi-Gewalttäter Petar Helmer oder aber “Donner des Nordes” um Kai Kungl auftraten oder Solidaritätskonzerte zugunsten des neonazistischen Totschlägers Jürgen Kasamas aus dem Blood & Honour-Milieu organisiert wurden. 2020 dürfte sich Herold jedoch aus den unmittelbar politischen Neonazi-Strukturen zurückgezogen haben und dem Outsider MC beigetreten sein: Er gab die Geschäftsleitung des Gasthofs zur Alm auf und trat seitdem nur noch im MC-Milieu in Erscheinung. Nun ist Herold regelmäßig beim Noricum MC zu beobachten sowie 1%er-Partys, die im Umfeld der Hells Angels stattfinden.

Auch aus den Reihen der Tanzbrigade nahmen zwei Personen sowie eine Person aus dem Umfeld der Division Wien teil: Mit Bernhard Burian und Patrick Plank fanden sich zwei Kernakteure beim Begräbnis ein, die wir erst kürzlich (im hier zu findenden Text) beleuchtet haben. Mit Burian dürfte Cibulka schon seit mehreren Jahren bekannt gewesen sein – was in Anbetracht der Eisern Wien-Connections sowohl von Burian als auch Cibulka (via Unsterblich) nicht weiter auffällig ist.

Mit Felix “Whitey” (Nachname bis dato unbekannt) trat auch ein junger Neonazi beim Begräbnis auf, der sich seit Kurzem in den neonazistischen Milieus Wiens bewegt: Engen Kontakt scheint Felix vor allem zum Noricum MC-Member Alexander Aradi und dem Wiener Rechtsextremisten aus dem Umfeld der Tanzbrigade Markus Kral zu pflegen – gemeinsam besuchten die drei auch den “Tag der Ehre” in Budapest 2024, ohne Aradi die “Remigrations”-Demonstration der IB sowie zusammen mit Division Wien- und Tanzbrigade-Exponenten die IB-Demonstration nach dem islamistischen Anschlag in Villach. Regelmäßig ist das Trio auch zu Gast in der einschlägig bekannten “Richys Rock Bar” in der Wiener Innenstadt, die vom rechtsoffenen Norbert Grünberger betrieben wird. Erwähnenswert sind ferner die guten Kontakte von Felix und Kral ins ehemalige FHB-Milieu: So besuchten die beiden Kai-Rolf und Dorothee Müller in ihrem Haus in Thüringen, wo u. a. auch der mittlerweile im Burgenland lebende ehemalige FHB-Kopf Gerhard Bauer anwesend war. Bei Dorothee und Kai-Rolf Müller handelt es sich um gut und lange vernetzte Neonazis: Rolf Müller war bereits in der FAP aktiv, tourt seit den 2000er-Jahren als Liedermacher “Lokis Horden” durch die neonazistischen Milieus Deutschlands und Österreichs und pflegt Kontakte ins deutsche B&H-Netzwerk. Auch in Österreich ist das Ehepaar gut vernetzt: zum Küssel-Umfeld, zur ehemaligen AfP und dem Wiener Blood & Honour-Ableger, aber eben auch zum ehemalige FHB-Klientel um Gerhard Bauer und Markus Freisinger.

FPÖ-Beteiligung: Josefstädter Bezirksrat nimmt an Neonazi-Begräbnis teil.

Auffällig war die Teilnahme des FPÖ-Josefstadt-Bezirksrates Nikolaus Muchitsch an Cibulkas Beisetzung. Muchitsch verfügt über Anbindung an die Wiener Identitären – mehrfach konnte Muchitsch bei Corona-Demonstrationen gesehen werden, meist vermummt, zumeist im Umfeld der Identitären sowie rezent bei der rechtsextremen Demonstration anlässlich islamistischen Anschlag in Villach. Inwiefern Muchitsch engere Kontakte zu Cibulka bzw. neonazistischen Akteuren in Wien aufweist, lässt sich allerdings bis dato nicht sagen. Aktuell dürfte Muchitsch teilweise in Kiew in der Ukraine leben: Regelmäßig berichtet er via Social Media von russischen Angriffen auf die ukrainische Hauptstadt.

Die Beteiligung des Hells Angels Vienna MC und deren Supporter MCs.

Besonders betont werden muss die zahlenmäßig starke Abordnung Wiener MCs, die sich an Cibulkas Begräbnis beteiligten. Vor Ort waren Exponenten des Hells Angels MC, darunter der Vize-Präsident des Vienna Charters sowie Clubs, die den Hells Angels als Supporter-Clubs zuordenbar sind, nämlich: die inoffiziell als 1%er geltenden Red Dogs MC und Iron Bloods MC, der offiziell als 1%er agierende Final Dawn MC sowie die zum aktuellen Kenntnisstand nicht dezidiert als organisiert-kriminell zu bewertenden Outsider MC und Los Azules MC.

Dass man beim Hells Angels MC keinerlei Berührungsängste mit Neonazis hat, lässt sich anhand des Wiener Neonazis, Octagon AT-Leiter und Hells Angels Member Julius Bukaí zeigen: In unserer Recherche zum Octagon-Netzwerk konnten wir dessen enge Anbindung an transnational vernetzte rechtsextreme Kampfsportgruppierungen belegen sowie seine neonazistischen Aktivitäten in den 2000er- und 2010er-Jahren. Auf Wiener Ebene pflegt Bukái aktuell dabei genauso Kontakt zu Unsterblich-Mitgliedern wie zu den Unwiderstehlich-Köpfen Paul Blang und Thomas Cibulka. Beide waren zuletzt beim Boxtraining im von Bukaí geleiteten “Octagon Gym” in der Wiener Donaustadt. Das “Gym”, das in einer Turnsaalhalle eingerichtet war, ist mittlerweile nach Klosterneuburg übersiedelt und verfügt über eigene Räumlichkeiten und einen legal eingerichteten Verein “Boxverein Octagon“.

Cibulka (3.v.l.) zusammen u. a. mit Blang (2. v. r.) sowie Noricum MC-Member Roman Blaschek (1.v.l.) sowie Hells Angels-Member (4.v.r.) und Exponenten der MC-Szene vor dem Other Place.

Auch im Falle der Iron Bloods und der Red Dogs lassen sich Kontakte in rechtsextreme Mischszenen feststellen: Zum Einen pflegen alle beide seit Jahren offizielle Freundschaft mit den Neonazis des Noricum MC, zum anderen bewegen sich viele Mitglieder in rechtsoffenen bis rechten Mischszenen, die sich zwischen Hooliganismus, organisierter Kriminalität und Rechtsxtremismus konstituieren. Beispielhaft hierfür ist Jakob Berger, Präsident des Red Dogs MC, der auch beim Begräbnis anwesend war: Berger ist nicht nur Präsident des Red Dogs MC, er betreibt ein eigenes Streetwear-Label, das sich am hooliganistischen Casual-Style orientiert, hat engste Verbindungen in die organisierte SCR-Fanszene sowie in die rechte Wiener Kampfsportszene und darüber zu Noricum (siehe unsere Recherche hier).

Für die Iron Bloods lässt sich auch die Involvierung in die organisierte Kriminalität nachweisen: 2015 sorgten umfangreiche Ermittlungen u. a. gegen den Iron Bloods MC und ihren damaligen Präsident für Prozesse wegen organisierten Suchtmittelhandels. Der Präsident soll integraler Bestandteil eines Ringes gewesen sein, der Cannabis- und Kokain-Handel betrieben hat. Aufgrund diverser Ungereimtheiten in den Ermittlungsprozessen und Anklage jedoch wurde lediglich der Präsident zu einem Jahr Haft verurteilt.

Im Falle von Final Dawn ist die rechtsoffene bis rechtsextreme Grundhaltung offenkundig: So nahmen mehrere Member des MC 2020 an einer von der FPÖ organisierten Anti-Maßnahmen-Kundgebung am Wiener Ballhausplatz teil – ein Member trug dabei die Club-Insignien unterhalb eines Reichsadlers. Aber auch bei der rechtsextremen Demonstration anlässlich des islamistischen Anschlags in Villach trat mindestens ein Final Dawn-Member mit erkennbaren Clubinsignien öffentlich auf. Mit Marco Singraber findet sich darüber hinaus ein aktiver, gewaltbereiter Neonazi in den Reihen des Clubs, der wiederum für die Anbindung weiterer Member an Neonazi-Kreise sorgt. Belegbar ist auch, dass die Final Dawn-Member vielfach in Türsteherei vor Wiener Clubs involviert sind, u. a. auch Marco Singraber. Für 1%er nicht ungewöhnlich – sind es doch meist die lokalen Türsteher, die den Suchtmittelhandel in  Clubs kontrollieren.

Während beim Los Azules MC unklar ist, inwieweit sie in die kriminellen Machenschaften der Hells Angels integriert sind oder Kontakte in neonazistische Kreise pflegen, ist zumindest der Konnex des Outsider MC zum organisierten Neonazismus eindeutig: Neben Andre Herold (siehe oben), ist man auch eng mit dem Noricum MC “befreundet”. Im für MCs typischen Freundschaftsnetzwerk – so oberflächlich dieses auch sein mag – kommen so alle möglichen Akteur*innen zusammen. Politische Haltung spielt selten eine Rolle, Distanzierung von Rechtsextremismus, extrem rechten Akteur*innen oder diskrimnierendem Verhalten findet in dem männerbündischen Milieu in aller Regel nicht statt. Da es ferner keinerlei Beweise gibt, dass Herold sich vom Neonazismus distanziert hat, muss angenommen werden, dass über Herold potenziell auch weitere Kontakte zu neonazistischem Klientel hergestellt werden können.

Abschluss: Neonazismus und Mischszene.

Betrachtet man Thomas Cibulkas Begräbnis abschließend, zeigt sich ein politisch instrumentalisiertes Ritual, das keinerlei Zweifel ließ, welcher Ideologie der Verstorbene anhing, noch in welchen Kreisen sich Cibulka bewegte. Zwar kann aus einem Begräbnis noch lang kein aktives Vernetzungstreffen von Hooligan-Gruppierungen, Neonazis und MC-Klientel konstruiert werden – zu vage ist hierfür die Beweisgrundlage. Dennoch zeigt sich anhand der Figur Thomas Cibulkas, wie nach und nach die oben genannten Milieus verschmelzen und Personen zu Mehrfachfunktionären werden. Das darin zu verortende Gefahrenpotenzial ist hoch: Professionalisierte Gruppierungen der organisierten Kriminalität können politischen Akteur*innen der extremen Rechten durchaus das bieten, wonach Neonazis streben – physische Stärke auf der Straße, Zugang zu illegalen Verdienstmöglichkeiten (Suchtmittelhandel, Rotlicht-Kriminalität, Türsteher-Kriminalität usw.) und oftmals zu (Kriegs-)Waffen, sowie zu Wissensbasen rund um verdeckte Geldtransfers, Leben im Untergrund sowie potenzielle Rückzugsorte in von MCs kontrollierte Gebiete. Gerade global organisierte OK-Gruppen wie die Hells Angels können zu gravierenden Verschärfungen in Bezug auf das Gewaltpotenzial von neonazistischen Akteur*innen führen, wenn sie sich denn aufgrund von personeller Kooperation als Schutzmachten von Neonazi-Gruppen begreifen. Und zu betonen ist, dass die Hells Angels keineswegs zum ersten Mal wegen Kontakten in rechtsextreme Kreise auffallen. In Zeiten, in denen es zu volatiler Turboradikalisierung auch Jugendlicher kommt, die sich v. a. durch ostentativ zur Schau gestellte Gewlatbereitschaft und unverhohlenem Hang zu rechtsterroristischen Einstellungen auszeichnet, ist das demokratigefährdende Potenzial solcher Vernetzungen nicht ernst genug zu nehmen.